HÖHLENTIER DES JAHRES des Verbandes der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V.

Der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. hat auf seiner Jahrestagung 2008 beschlossen, erstmals für das Jahr 2009 ein „Höhlentier des Jahres“ zu wählen. Hiermit soll in der Öffentlichkeit und bei Behörden auf die kaum bekannte zoologische Artenvielfalt in unterirdischen Lebensräumen hingewiesen werden.

Im Jahr 2014 wurde die Aktion "Höhlentier des Jahres" vom Department of Karst and the Cave Protection of the International Union of Speleology mit dem France HABE Prize ausgezeichnet.

HÖHLENTIER DES JAHRES 2019 | GEMEINE HÖHLENSTELZMÜCKE

Die Gemeine Höhlenstelzmücke (Limonia nubeculosa) wurde vom deutschen Entomologen Johann Wilhelm Meigen erstmals im Jahr 1804 in der wissenschaftlichen Reihe „Klassifikazion und Beschreibung der europäischen Zweiflügligen Insekten“ beschrieben. Der in der Biospeläologie oft verwendete deutsche Name „Rheinschnake“ ist irreführend, da die Art weder ausschließlich am Rhein vorkommt, noch zur Familie der Schnaken gehört. Meigen verwendete 1804 den deutschen Namen „Wolkige Wiesenmükke“.

Die Tiere besiedeln im Sommerhalbjahr in großer Anzahl unsere Höhlen und andere unterirdische Hohlräume. Ihre Häufigkeit und ökologische Rolle als verbindendes Glied zwischen der Oberfläche und dem Lebensraum unter Tage führten dazu, dass diese Stelzmückenart zum „Höhlentier 2019“ gewählt wurde. Die Gemeine Höhlenstelzmücke steht für eine Vielzahl von Tierarten, die auf geschützte unterirdische Rückzugsorte angewiesen sind.

Der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher will mit der Wahl des Höhlentieres darauf hinweisen, dass gerade bei der Erforschung der unterirdischen Ökosysteme und der darin vorkommenden Arten noch ein enormer Handlungsbedarf besteht.

Gemeine hoehlenstelzmuecke foto klaus bogon

Bei der Gemeinen Höhlenstelzmücke handelt es sich um eine 8 bis 12 mm große Mückenart, die zur Familie der Stelzmücken (Limoniidae) gehört. Die langbeinigen Tiere haben dunkel gefleckte Flügel, die in Ruhe dachziegelartig übereinander gefaltet werden. Die gelblichen Schenkel tragen drei dunkle Ringe. Das Bruststück ist gelbbraun mit drei dunkelbraunen Rückenlinien. Das erste Fühlerglied ist gelblich, das zweite und dritte braun. Die Flügel haben aschgraue Wölkchen; an der Mitte des Vorderrandes einen grauen Halbzirkel, und dahinter zwei bis drei dunkelbraune Punkte.

Die Gemeine Höhlenstelzmücke lebt von März bis November bevorzugt in feuchten Wäldern, wo sie oft an Baumstämmen sitzt. Ihre Larven leben im Schlamm von Gewässern und treten manchmal massenhaft auf. Die Larven ernähren sich räuberisch von Kleinstlebewesen. In Höhlen wird die Gemeine Höhlenstelzmücke ebenfalls regelmäßig von März bis Oktober angetroffen. Wo sich die Tiere den Rest des Jahres aufhalten ist nicht bekannt. Die subtroglophile Art ist wohl der typischste Höhlen-Übersommerer in unseren Breiten. Das Maximum der Besiedlung liegt dabei in den Monaten Juli und August, wo die Tiere oft zu mehreren Tausend anzutreffen sind. Die Gemeine Höhlenstelzmücke dringt dabei weit in die Tiefenregionen der Höhlen ein, ohne jedoch die gesamte Höhle zu besiedeln Die Tiere bevorzugen zugluftfreie Bereiche und Nischen, wo sie regelmäßig an senkrechten Flächen sitzen und durch ihr massenhaftes Auftreten teilweise ganze Wände bedecken. Paarungen in unterirdischen Biotopen können regelmäßig beobachtet werden, wobei eine Art Paarungsrad gebildet wird. Die Eiablage erfolgt jedoch außerhalb der Höhlen an Gewässern.

Gemeine Höhlenstelzmücken sind im Sommerhalbjahr ein wichtiger Baustein in der Nahrungskette einer Höhle. Diese Mückenart wird vor allem von den cavernicolen Spinnenarten Metellina merianae (Kleine Höhlenspinne) und Meta menardi (Große Höhlenspinne) gefressen. Ein Teil der in Höhlen gefundenen Gemeinen Höhlenstelzmücken ist mit orangen Milben besetzt. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass Höhlenstelzmücken von einem Pilz befallen werden, der die Tiere abtötet, so dass selbst im Winter große Zahlen abgestorbener und von weißlichem Pilzmycel überzogener Tiere an den Höhlenwänden gefunden werden. Dieses Phänomen scheint sich in Deutschland von Süden nach Norden hin auszubreiten und ist gerade Teil eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes.

Die Gemeine Höhlenstelzmücke kommt in Deutschland und in ganz Europa flächendeckend vor. Sie ist aus allen Höhlengebieten bekannt.

HÖHLENTIER DES JAHRES

Mehr Infos zu den Höhlentieren des Jahres

►hoehlentier.de

Höhlentiere

In der absoluten Dunkelheit des Höhleninneren sind Sinnesorgane wie Augen funktionslos. „Echte“ Höhlentiere sind daher in der Regel blind, verfügen aber über einen ausgezeichneten Geruchs- und Tastsinn. Hierzu sind ihre Extremitäten auffallend verlängert und oftmals mit zusätzlichen Tastborsten ausgestattet. Aufgrund des fehlenden Sonnenlichts und der fehlenden UV-Strahlung bildet die Haut keine Farbpigmente aus und lässt die Tiere zumeist weiß oder farblos erscheinen.

Neben den physischen Anpassungen haben sich bei Höhlentieren auch spezielle Verhaltensmuster entwickelt, die zum Überleben in der ewigen Dunkelheit beitragen. Die dauernde Nahrungsknappheit unter der Erde wird durch ein Herabsetzen des Stoffwechsels kompensiert. Durch langsame Bewegungen wird der Energieverbrauch auf ein Minimum gesenkt. Da eine geringe Körpergröße auch den Nahrungsbedarf minimiert, ist es nicht verwunderlich, dass viele Höhlentiere nur wenige Millimeter groß sind.

Neben diesen vollständig an das Höhlenleben angepassten Tieren findet sich untertage aber auch eine Vielzahl von Tierarten, die recht unterschiedlich an den Lebensraum angepasst sind und auch oberirdisch angetroffen werden. In der modernen Biospeläologie werden heute vier unterschiedliche ökologische Klassifizierungsstufen unterschieden, deren Grenzen aber immer noch verschoben werden. Eine solche ökologische Einteilung ist durchaus sinnvoll, setzt aber ein detailliertes Wissen zur Lebensweise der jeweiligen Tierart voraus.

hoeheltiere

Klassifizierung

Die höhlenfremden (eutrogloxenen) Tiere gelangen nur zufällig in die Höhle, sie können dort nicht dauerhaft existieren. Zu ihnen zählen beispielsweise Tiere, die in Schächte fallen oder durch Hochwässer in die Höhle gespült werden, dort aber zumeist nach kurzer Zeit zugrunde gehen.

Die (subtroglophilen) „Höhlengäste“ suchen Höhlen zu bestimmten Jahreszeiten gezielt auf. Sie können sich zwar in der Dunkelheit orientieren, die Nahrungssuche findet aber in der Regel oberirdisch statt. Zu den überwinternden Höhlenbewohnern gehören beispielsweise Fledermaus- und Schmetterlingsarten. Im Sommer werden die Höhlen auch von bestimmten Köcherfliegen- und Mückenarten aufgesucht, um der Hitze und der Austrocknung zu entgehen. Dabei wird das unterirdische Biotop auch zur Paarung genutzt.

Die „höhlenliebenden“ (eutroglophilen) Tiere führen auch an der Erdoberfläche ein verborgenes Leben unter Steinen, im Erdboden oder unter Baumrinde. Solche Tiere finden in der Höhle optimale Lebensbedingungen und können sich dort sogar fortpflanzen und auf Dauer Populationen bilden. In diese Gruppe gehören beispielsweise zahlreiche Springschwanz- und Spinnenarten.

„Echte“ (eutroglobionte) Höhlentiere haben sich mit ihrem gesamten Lebenszyklus an das Leben untertage angepasst. Diese Tiere könnten bei veränderten Temperatur- und Lichtverhältnissen an der Erdoberfläche nicht auf Dauer überleben. Hierzu gehören beispielsweise die Höhlenflohkrebse und der Grottenolm.

hoehle und fledermaus

Vorteile des Höhlenlebens

Eine zentrale Frage der Biospeläologie bleibt die Suche nach den Vorteilen des Höhlenlebens, zumal bekannt ist, dass ursprünglich an der Erdoberfläche lebende Arten im Laufe der Zeit an das Höhlenleben angepasste Populationen entwickeln können. Diese Arten finden dort zwar extreme Lebensbedingungen, brauchen aber kaum Konkurrenz durch andere Arten zu fürchten. Es ist also anzunehmen, dass sich gerade Arten, die dem Konkurrenzdruck an der Erdoberfläche nicht standhalten können in diese konkurrenzarmen Nischen zurückziehen. Das Fehlen jahreszeitlicher Temperaturschwankungen erlaubt daneben eine ganzjährige Fortpflanzung und ist damit für die Populationssicherung enorm wichtig.

Quelle

  • hoehlentier.de ,für den Internetauftritt „Höhlentier des Jahres“ ist der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. verantwortlich. (►vdhk.de), Fotos: Heiko Bellmann (Ulm), Klaus Bogon, Sontra (www.bogon-naturfoto.de), Rolf Palm (Schwarzenfels), Dr. Helmut Steiner (Hanau am Main), Max Wisshak (Erlangen) & Stefan Zaenker (Fulda), Aufgerufen: 24.09.2016
  • arthropodafotos.de, Dr. Marion Friedrich, Chemnitz, Diphyus quadripunctorius, DE, Chemnitz, Zeisigwald; 2009-04-19 12:09:26, Bildnummer: 2360, Aufgerufen: 25.09.2016
  • Höhlentier des Jahres 2018, hoehlentier.de, Foto: Klaus Bogon, Sontra (www.bogon-naturfoto.de), Aufgerufen: 29.10.2017
  • Höhlentier des Jahres 2019, hoehlentier.de, Foto: Klaus Bogon, Sontra (www.bogon-naturfoto.de), Aufgerufen: 31.03.2019
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