Sonntagshorn
An einem Sonntag im Juni durch die wilden Kraxenbachtäler
Die Überschreitung des Sonntagshorns zählt bei fortgeschrittenen Berggehern zu den bayerischen Klassikern. Die Runde hat alpinen Touch.
Start ist am Holzknechtmuseum in Laubau-Ruhpolding. Die Forststraße zur Schwarzachenalm ist das passende Warm-Up für das, was kommt.
Bald geht es auf rustikalem Waldpfad in den Danzingbachgraben.
»Nur für Geübte« - Am Schild führen unscheinbare Trittspuren ins Bachbett. Jenseits trifft man auf einen durchgängigen Pfad, der uns in das Mittlere Kraxenbachtal lotste. Steilstufen mit vielen Kehren wechseln mit moderaten Abschnitten. Teils bricht es neben dem Steig tief in die Schlucht ab. Es geht über Stock und Stein.
Der Eintritt in den oberen Karboden – nomen est omen - den Großen Sand gleicht einem Auftauchen. Man erreicht endlich flaches Gelände, dass den Blick freigibt.
Bei solchen Touren stellt sich die Frage des Materials. Man will nicht zu viel Ausrüstung mitnehmen, aber man sollte gerüstet sein, wenn Teilnehmer ungeübt sind. Helm und Gurt sind dann Standard, ein Pickel kann im Frühsommer wertvoll sein.
Wir sind in den Bayerischen Voralpen unterwegs und dennoch kommt so etwas wie Hochtouren-Feeling auf.
Der Große Sand endet an einer 60 m hohen Steilwand. Überall lag mobiles Material rum. Der Helm wird hier zum wichtigen Utensil.
In der Randkluft eines steilen Firnfeldes ging es irgendwie höher. Am Wandfuß steckt der erste Bohrhaken. Was folgt, ist leichte Kraxelei (Stellen maximal II). Wir entschieden uns für ein Fixseil, das die ersten 35 m in Fallinie zum nächsten gebohrten Fixpunkt überspannte und dann als Seilgeländer entlang eines nach links ansteigenden Schichtbandes geführt wurde. Für die Teilnehmer hieß das Mittel der Wahl MicroTraxion – Ois Easy.
Das komfortable Band wird verlassen, wo eine Steilrinne zum Ausstieg in die Reifelbergscharte führt. Bohrhaken und einzelne zarte rote Punkte geben Orientierung.
In der Scharte lachte uns die Sonne an, der Blick öffnet sich nach Süden. Der Hauptkamm zeigte sich in strahlendem Weiß.
Hier ist noch lange nicht Schluss. Von Süden reicht die Latschenzone bis an den Westgrat. Der Grat ist mit einigen leichten, aber exponierten Kraxelstellen garniert. Etliche Trittspuren animieren zwar, in die abschüssige Nordwand zu queren, es gilt aber, den markierten Empfehlungen zu folgen. Die Devise lautet: Immer plus/minus am Grat bleiben.
Nach fast 1300 Höhenmetern erreichten wir am Nachmittag den höchsten Gipfel des Chiemgaus.
Gleich hinter dem Gipfelkreuz geht es runter. Der Abstieg ist sofort fordernd. Exponiertes Gehgelände verlangt konzentriertes Gehen. Dazu kommen viele kurze Felsabsätze, eine geneigte Schichtplattenserie und gestufte Latschenrinnen, in denen man gern auch mal zum Ast greift.
An der Sonntagshornscharte ernüchtert ein Wegweiser: Noch gut 3 Stunden Abstieg lagen vor uns. Zum Glück geht die Sonne in diesen Tagen erst spät unter, das Wetter war an diesem langen Sonntag sowieso kein Thema.
An den Scharte setzt nordseitig ein Steilkar an. Zumindest ließ sich dort zeitweise ganz gut im Schotter abfahren.
Über einen gut ausgetretenen Pfad mogelt man sich anschließend durch das Latschendickicht. Dann geht es im wild romantischen, tief eingefurchten Hinteren Kraxenbachtal runter. Wir sind in toller Abenstimmung ganz allein unterwegs. Der Abstieg erscheint endlos, mehrfach wird der Bach überquert. Es bleibt spannend und überaus reizvoll. Ein paar Gegenanstiege müssen weggesteckt werden, aber es gibt auch viel fürs Auge: Wasserfälle hautnah, tiefe Schluchten, Kaskaden von Gumpen und üppiges Grün in allen Schattierungen.
Fazit: Bei dieser großen Runde ist alles drin, was den Kick des alpinen unterwegs seins ausmacht.